Wenn die Scham unser Leben bestimmt

Hallo du,

Im heutigen „Lovely Talk“ soll es um ein Randthema gehen, was sich in meiner Arbeit als Coach fast jedes mal als ein riesen Ursprung für emotionales Essen, Essstörungen oder stark eingesessene Selbstzweifel heraus kristallisiert hat. Die sogenannte „toxische Scham“. Über dieses Thema möchte ich heute im Rahmen einer neuen Blogartikel-Serie namens „Selbstkommunikation“ sprechen, die viele wichtige Randthemen wie das heutige umfasst.

Jetzt aber mal ein paar Schritte zurück! Toxische Scham? Was genau versteht man darunter und warum sollte es relevant für das Thema Essen und Körper sein?

SCHAM ALS GEFÜHL

Die Scham im normalen Leben ist nichts wovor wir uns fürchten müssen. Sie tritt auf wenn wir an unsere gesellschaftlichen, persönlichen oder ethischen Grenzen kommen und zeigt uns auf ganz natürliche und meist gesunde Weise, welche Schranken wir überschritten haben und wo wir nicht weiter gehen dürfen. Wir schämen uns für das, was wir gesagt haben als wir nicht bei uns, betrunken oder gefühlsgeladen waren – für einen riesigen roten Fleck ganz auffällig auf unserer Hose oder dafür die Lieblings-Kaffeetasse unserer Schwiegermutter fallen gelassen zu haben. Scham im gesellschaftlichen Zusammensein ist ein wichtiges Gefühl, das uns unsere Grenzen als soziales Wesen aufzeigt.

TOXISCHE SCHAM

Toxisch und damit extrem ungesund wird die Scham dann, wenn wir uns nicht mehr aufgrund von einzelner Verhaltensweisen schämen, sondern wegen unseres gesamten Wesens. Wir haben dann zum Beispiel ständig das Gefühl irgendwie fehl am Platz zu sein, etwas falsches sagen oder denken zu können, anderen Mitmenschen Umstände oder Probleme zu bereiten. Wir kämpfen sehr häufig mit schlechtem Gewissen, weil wir uns im Nachhinein schmämen wie wir ausgesehen, gegessen, gesprochen oder einfach nur interagiert haben. Wir checken unser Aussehen dauerhaft im Spiegel, weil wir Angst haben, irgendwie negativ auffallen zu können. Wir sind richtige „People-Pleaser“, weil sich bloß niemand von uns abgestoßen, genervt oder irritiert fühlen soll. 

Toxische Scham kann sich ganz unterschiedlich und verschieden konstant zeigen.  In diesem Zusammenhang geht es oft auch noch um eine tief eingesessene Schuld falsch oder ungenügend zu sein. Sowohl Schuld als auch Scham sind zwei äußerst schmerzhafte Gefühle, da wir glauben irgendwie fehlerhaft, mangelhaft, unerwünscht oder nicht liebenswert genug zu sein. 

Menschen die mit toxischer Scham leben, so wie ich es ganz viele Jahre getan habe, sind sich selten darüber im Klaren welch negative Gefühle und Gedanken sie ständig sich selbst gegenüber hegen. Das liegt daran, dass die Scham eben nicht nur in ganz speziellen Situationen auftritt, sondern eher einen chronischen Angst-Zustand darstellt, der zu einer Art Denkweise wird. Oft ist hier auch die Rede von einer zweiten Stimme in unserem Kopf, die uns von unserer Minderwertigkeit überzeugen möchte. Diese Stimme kann sich vor allem in bestimmten Situation zu Wort melden, bei manchen ist sie schon eher wie eine Charaktereigenschaft die uns diktiert ungenügend, ungeliebt, allein und zu wenig zu sein. Vor allem das „zu“… zu fett, zu dumm, zu faul, zu undiszipliniert, zu hässlich ist dabei charakteristisch. 

Stop mal Marie! Das hört sich ja an wie eine Persönlichkeitsstörung! 

Für Menschen die ein gesundes Schamgefühl leben mag sich das Ganze vielleicht wirklich so anhören. Menschen mit toxischer Scham werden sich aber nach ein paar erschrockenen Grübeleien von diesem Artikel angesprochen fühlen. Toxische Scham ist keine Persönlichkeitsstörung sondern viel mehr ein dicker Schutzpanzer, den wir uns auferlegt oder vielleicht sogar „angefressen“ haben. Gewichtsprobleme, emotionales Essen, Essstörungen und die Diätmentalität sind sehr oft ein Symptom, das aus der dauerhaften Scham resultiert. Wir schaffen es einfach nicht uns, als Mensch, mit diesem Körper zu akzeptieren, denken unterbewusst es würde uns mit: weniger Hüftspeck, einem flacheren Bauch, dünneren Oberschenkeln oder einfach einer anderen Figur viel besser gehen und andere könnten uns wieder besser akzeptieren, lieben und anerkennen. 

Toxische Scham ist übrigens von Außen ganz oft nicht erkennbar! Oft ist es sogar so, dass Betroffene auf andere Personen selbstbewusst, stark und optimistisch wirken. Das Ganze ist dann aber nur eine Maske, denn über die Schuldgefühle und die Scham wird grundsätzlich nicht geredet, „niemand würde das verstehen…“

Woher kommt die toxische Scham?

Die Gründe für toxische Scham liegen meist in unserer Kindheit und Pubertät, wenn uns Bezugspersonen bewusst oder unbewusst das Gefühl geben, nicht wertvoll oder nicht genug zu sein. Als Kind sind wir darauf angewiesen von unseren Eltern und unserem engen Umkreis geliebt und gemocht zu werden, da unser Überleben von diesen Personen abhängig ist. Das ist eine evolutionäre Ur-Angst, denn damals meinte eine Inakzeptanz des Stammes, unseren Tod. 

Um nicht ausgegrenzt, abgewiesen oder verletzt zu werden erstellen wir nach Außen hin eine Identität, ein falsches Selbst, das nicht unserem Naturell entspricht. Diese aufgezogene Maske führt über Jahre hinweg dazu, dass wir uns nicht mehr wirklich spüren können und uns weit entfernen von unserem echten emotionalen Kern. Wir verdrängen bewusst oder unbewusst, dass was wir wirklich sind, da wir uns schämen für das ungeliebte, nicht akzeptierte Kind in uns. Die Scham ist also zu einem Schutzmechanismus geworden, der sich für uns normal anfühlt. 

Eher selten gibt es ein einschneidendes oder traumatisches Erlebnis, das den Ursprung kennzeichnet. Viel mehr kann es sein, dass wir uns in einer kindlichen Phase nicht genug gespiegelt gefühlt haben, ein oder beide Elternteile emotional abwesend waren oder selbst unter der toxischen Scham litten. Bei Lovely Eating habe ich schon des Öfteren erlebt, dass die Mutter oder der Vater sich für ihren/seinen eigenen Körper oder ihre/seine Persönlichkeit schämten und die Kinder diese toxische Scham übernahmen ohne es zu wissen. 

Woran bemerke ich die toxische Scham?

> Du fühlst dich oft unsicher und empfindest dich als weniger attraktiv, intelligent, erfolgreich und wertvoll als andere.
> Es ist nie genug! Du setzt dich unter extremen Leistungsdruck oder erschwerst dir mit deinem Perfektionismus das Leben. Trotzdem erreichst du nie deine eigenen Ideale.
> Du fühlst dich immer wieder alleine und unverstanden. Dir fällt es sehr schwer Gefühle zu zeigen und wenn siehst du sie als schwach und erniedrigend an. Du kannst dich sehr schwer Jemandem anvertrauen.
> Du hast Angst davor, dass Andere dich wegen deiner echten Persönlichkeit, deiner tiefen authentischen Gefühle und Gedanken weniger lieben könnten. Starke Verlustängste sind auch ein Kennzeichen.
> Angst vor Nähe. Dir fällt es schwer echte Bindungen einzugehen, da du dich sonst offen zeigen müsstest.
> Dir fällt es schwer Komplimente anzunehmen oder du glaubst sie schlichtweg einfach nicht.
> Du reagierst extrem empfindlich auf Kritik und fühlst dich direkt in deiner ganzen Persönlichkeit angegriffen.
> Es fällt dir sehr schwer deinen eignen Körper anzunehmen. Situationen an denen du dich am liebsten vor allen verstecken würdest kommen häufig vor. 
> Ich-Zentriertheit („ich hätte doch einfach…, wegen mir…, weil Ich…, es ist meine Schuld…, meinetwegen…, ich bin….)

FRAGE DICH:

Fühlst du dich unter dem Begriff „toxische Scham“ angesprochen? Wenn ja, woher aus deiner Vergangenheit könnte dieses Gefühl kommen?

SCHAM UND ESSVERHALTEN

Solltest du unter toxischer Scham leiden, kannst du sie nicht von heute auf Morgen komplett über Bord werfen. Sie wurde über Jahre hinweg ein Teil deiner Persönlichkeit, weshalb es nicht immer einfach ist, diese komplett zu identifizieren. 

Der wichtigste Schritt ist der Schritt in Richtung „Verständnis“. Erst wenn wir unsere Gedanken, Gefühle und die Ursprünge des toxischen Verhaltens analysieren und verstehen, können wir uns selbst gegenüber verständnisvoller und wertschätzender werden. Wir können lernen uns selbst das zu geben, was wir in der Vergangenheit so voller Schmerz und Angst vermisst haben. Wir sind nun ein erwachsener Mensch, für den diese Ur-Ängste keine Konsequenz mehr bedeuten. 

Lerne dich zu verstehen und du wirst der toxischen Scham ihre Berechtigung entziehen. Des Weiteren wirst du dir auch leichter tun, toxisches Essverhalten oder die Gedanken dahinter zu verstehen. Warum zum Beispiel neigst du so sehr dazu dich zu überessen, aus Emotionen zu Essen zu greifen oder dich mit Sport zu bestrafen? Die toxische Scham könnte ein sehr ausschlaggebendes Gefühl sein, dass dich zu diesen Kontroll-, oder Kompensations-Mechanismen zwingt. Aus Scham- oder Schuldgefühlen heraus suchen sich Menschen „Ventile“ um mit diesen Emotionen klar zu kommen oder diesen zu entfliehen. Mein Ventil der toxischen Scham habe ich im Essen oder eher „Fressen“ gefunden.

Die toxische Scham hat mich dazu gebracht, meinen Körper zwanghaft kontrollieren zu müssen. Zum Beispiel mit Kalorien zählen, mit übermäßigen Sport-Einheiten, mit Supplements und ständigen Diäten. Weil ich dennoch diesem Gefühl „nicht gut genug zu sein“ nie entkommen konnte, hat sich ein großer Druck auf mir aufgebaut den ich mit binge-eating Attacken ablassen konnte. Die toxische Scham ist also ein sehr wichtiger Begriff um die Hintergründe von unnatürlichem Essverhalten verstehen und ergründen zu können. 

Wie komme ich aus der Scham raus?

Wie schon gesagt ist das ein Prozess der einiges an Zeit und vor Allem Übung in Anspruch nimmt! Am besten fängst du damit an diese „zweite Stimme“, den „inneren Kritiker“ oder die toxische Scham, wie auch immer du es nennen möchtest, kennen zu lernen. Damit meine ich: werde dich ihr bewusst, wann immer sie aktiv ist.

In welchen Situationen fange ich an mich zu kritisieren, zu schämen, mich isolieren zu wollen oder mich fehl am Platz zu fühlen?

Führe am besten eine Liste oder Handy-Notiz und schreibe dir Situationen auf, an denen es zur toxischen Scham kommt. Schreibe dir unbedingt auch auf, was genau das für Gedanken sind. Fallen bestimmte Formulierungen immer wieder wie „zu unfähig“, „zu fett“ etc.?

Sobald du derartige Situationen ertappst und dir deiner Selbstkommunikation bewusst wirst, kannst du lernen einen objektiveren Umgang mit dir selbst zu pflegen. Komm in den Prozess dich selbst kennen lernen zu wollen und dir selbst, wie eine beste Freundin, wie ein bester Freund wieder positiver und verständnisvoller zu zureden.  Die toxische Scham ist definitiv nichts womit du für immer leben musst! Ich weiß das nun zu gut!

Schlusssatz

Wie ging es dir mit diesem Blogartikel bzw. diesem Thema? Hast du Fragen, Lob oder Kritik an mich? Dann sende mir eine Nachricht an info.lovelyeating@gmail.com Möchtest du darüber hinaus mit mir persönlich über deine Situation sprechen, meine Unterstützung in Anspruch nehmen oder dich einfach mal informieren wie deine Hilfe aussehen könnte? Dann schicke mir eine Mail und/oder eine Bewerbung über die Home-Seite für ein kostenloses Beratungsgespräch. Ich freue mich von dir zu hören!

Nur das Beste,
Marie ❤️

Über mich

Als Ernährungsberaterin mit ganzheitlicher und natürlicher Philosophie ist es mir ein Anliegen, dir auf meiner Seite Inspiration für die pflanzliche Küche, meine liebsten Comfort-food Rezepte aber auch jede Menge Mehrwert zum Mindset Part einer wirklichen Wohlfühl-Ernährung zu geben. Letztere Blogartikel hierzu findest du in den „Lovely Talks“. 
Solltest du dir mehr Unterstützung wünschen oder hast viele offene
Fragen, die du dir nicht selbst beantworten kannst, dann schreibe mir
eine Nachricht unter info.lovelyeating@gmail.com und ich werde mein Bestes geben, dir persönliche und hilfreiche Antworten zu liefern. 
 
Fühl dich wohl hier! ❤️

Marie - Luise
Wackenhut